Würzburg: Stadt bereitet sich auf kirchliche Austrittswelle vor
Missbrauch, Schweigen und ein ehemaliger Papst, der selbst in einigen Fällen nichts unternommen haben soll. Die Skandale bei der katholischen Kirche reißen nicht ab. Zahlreiche Mitglieder wollen sie daher verlassen, auch in Würzburg.
Besonders nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie aus München am Donnerstag, häufen sich die Anträge auf einen Austritt aus der Kirche beim Standesamt.
Studie führt zu zahlreichen Austritten
117 Austritte aus der katholischen und evangelischen Kirche verzeichnet das Standesamt in diesem Jahr bereits, 70 Terminanfragen für einen Austritt kamen allein vom 20.01.22, also dem Tag, an dem die Missbrauchsstudie bekannt wurde, bis zum 25.01.22 per Mail. Dazu noch einige telefonische Anfragen, die aber zahlenmäßig nicht erfasst sind.
Zum Vergleich: im Vorjahr waren es in dem gleichen Zeitraum nur 10 Anfragen (per Mail). Das Bekanntwerden der Studie scheint also maßgeblich mit dem erhöhten Wunsch nach Austritten aus der Kirche zusammenzuhängen.
Standesamt stockt auf
Das Standesamt hat deshalb seine Kapazitäten vorübergehend erhöht und bietet ab dem 01.02.22 22 zusätzliche Termine für einen Kirchenaustritt pro Woche an. Bis Interessierte an einen Termin kommen, kann es aber trotzdem aktuell noch drei bis vier Wochen dauern.
Aber ist der sprunghafte Anstieg an Austritten nur eine Ausnahme oder setzt sich damit nur ein Trend der letzten Jahre fort?
Trend setzt sich fort
Wohl eher letzteres: im Jahr 2003 sind beim Bistum Würzburg 324 Menschen wieder und neu in die Kirche eingetreten. 2992 sind ausgetreten. Im Jahr 2019, also dem Jahr vor der Pandemie, als noch alle Anträge bearbeitet werden konnten, gab es 141 (Wieder-)Eintritte und 8043 Austritte. Das geht aus der entsprechenden Statistik des Bistums Würzburg hervor. 2020 sind 125 Gläubige in die Kirche eingetreten und 7186 Menschen haben sie verlassen, pandemiebedingt konnten 2020 aber nicht alle Anträge bearbeitet werden.
Das Würzburger Standesamt hat 2019 1635 Austritte registriert, davon 1078 aus der römisch-katholischen und 551 aus der evangelischen Kirche (die übrigen sechs Austritte fallen auf Mitglieder des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern und der Altkatholischen Kirche). 2021 waren es 1935, davon 1323 römisch-katholisch und 605 aus der evangelischen (sieben altkatholisch und jüdisch).
Auch das Bistum Würzburg bestätigt, dass immer mehr Menschen austreten, gleichzeitig nur wenige die Kirche neu oder wieder für sich entdecken und eintreten.