Autonomes Fahren – Automekka Deutschland im erzwungenen Umbruch

05.03.2018, 18:04 Uhr in Service, Anzeige
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Deutschland und das Auto – eine Erfolgsgeschichte, aber noch viel mehr eine Liebesgeschichte. Wer verstehen will, woher diese innige Beziehung rührt, der muss die Geschichte der jungen Nachkriegsrepublik verstehen. Denn Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung des Landes, auch mit Hilfe unter anderem US-amerikanischer Finanzhilfen, sind untrennbar mit der aufblühenden Autoindustrie verknüpft. Das Auto als Statussymbol, als Ersatzkind und liebestes Hobby ist spätestens seit den 1950er Jahren fest in der gesamtdeutschen Seele verankert. Spätestens mit der Aussicht auf neue Technologien, allem voran dem autonomen Fahren, befindet sich das Konzept Auto aber im Umbruch. Wohin das führen könnte, beleuchten die folgenden Zeilen.

Die Visionen der Zukunft, die wir aus unzähligen Science-Ficiton-Filmen kennen, befinden sich bereits in der Umsetzung. Allerdings anders als man meinen würde. Denn während Filme wie Blade Runner, Zurück in die Zukunft oder wahlweise auch Die Jetsons den städtischen Verkehr einfach vertikal verschoben, bewegt sich der Personenverkehr der nahen Zukunft noch immer auf asphaltierten Straßen. Die Innovation zeigt sich erst beim Blick hinter das Lenkrad. Sofern es das überhaupt noch braucht. Denn was derzeit noch in der Entwicklung steckt, wird schon bald ganz praktische Realität werden. Das selbstfahrende Auto. Das ermöglicht, neben einer Menge technischer und auch ethisch-moralischer Komplikationen, die es noch zu klären gilt, eine vollkommen neue Art der Bewegung. Auf dem Weg zur Arbeit noch eine Runde weiterdösen, auf dem Heimweg eine Folge der Lieblingsserie schauen oder ohne Angst vor Strafe im Verkehr am iPhone hängen, während der Bordcomputer einen sicher und elegant durch den Verkehr manövriert. Dies wird umso besser koordiniert von statten gehen, je mehr automatisch gelenkte Vehikel auf den Straßen unterwegs sind.

Lösungen sind dringend gefragt

Was nach Luxus klingt, ist in Wahrheit eine Notwendigkeit, besonders für Ballungsräume, die jetzt schon unter der schieren Verkehrsbelastung ächzen. Berlin und München platzen innerstädtisch fast aus allen Nähten. Noch akuter stellt sich das auf der A40 und A42 zwischen Bochum, Essen, Duisburg und Dortmund dar. Staus sind an der Tagesordnung, besonders im Berufsverkehr, Parkplätze werden rarer und sind infolgedessen immer häufiger kostenpflichtig. Noch dazu übersteigen Schadstoffemissionen immer häufiger die gesetzlichen Höchstwerte, Umwelt- und Gesundheitsbelastung nehmen zu. Aktuell werden bereits Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Innenstädten diskutiert. Zwar ist diese Problematik bereits seit spätestens den 70er Jahren bekannt, adäquate Lösungen wurden aber bis heute nicht umgesetzt. Zur Entwicklung umweltverträglicherer Antriebstechnologien fehlte bisher der letzte Wille. Und dem Rat von Unweltschützern und Stimmen aus der Politik, auf den öffentlichen Nahverkehr oder entsprechende Carsharingangebote umzusteigen, steht der scheinbar ungebrochene PKW-Kult gegenüber.

Smartphone statt Auto

Scheinbar deshalb, weil sich auch hier im Stillen bereits ein Wandel vollzieht. Denn vor allem junge Menschen setzen ihre Prioritäten mittlerweile anders als noch vor wenigen Jahren. Neue Smartphones, Tablets und ähnliche Technikgerätschaften lösen das Auto als Statusobjekt Nummer 1 nach und nach ab. Das eigene Auto als Aushängeschild des eigenen Charakters und Lebensstils verliert zunehmend an Bedeutung, eine Abnehmergruppe für neue Fahrzeuge fällt der Industrie weg. Das Dilemma, das sich hier offenbart: Wie kann ein ganzer Industriezweig seine Relevanz und vor allem seine Wirtschaftlichkeit aufrecht erhalten, wenn das eigene Produkt nicht mehr gefragt ist beziehungsweise nicht mehr zur selbstverständlichen Grundausstattung der Menschen gehört? Hier gilt es also, schnellst- und bestmöglich die sich verändernden Infrastrukturen zu erkennen und mitzugestalten und andere in Bereiche zu investieren. Denkbar wäre hier, dass Carsharing- und Logistikunternehmen direkter mit Autobauern zusammen arbeiten werden beziehungsweise diese direkt eigene Produkte anbieten werden.

Automatisierung auch in den Werken

Aber auch gewichtiger Arbeitsgeber steht die Autobranche zukünftig auf der Kippe. Denn wo der Mensch im Verkehr nach und nach verzichtbar wird, werden auch die Produktionsstätten künftig immer weniger auf humane Manpower angewiesen sein. Schon heute teilen sich in den Werken von BMW, Mercedes und Co. Menschen und Roboter die Arbeit. Die voranschreitende Vernetzung computergesteuerter Systeme und die damit zunehmende Automatisierung der Arbeitsprozesse vor Ort wird der gesamtgesellschaftlichen Arbeitslosigkeit Vorschub leisten. Denn was für Konzerne gilt, gilt auch für die Beschäftigten – Produktion wird Maschinensache, dem Menschen bleibt die Dienstleistung.

Dem Autostandpunkt Deutschland stehen große Umwälzungen bevor, welchen man aber, anders als in den vergangenen Jahrzehnten, nicht mehr abwartend entgegentreten kann. Denn mit einer ganz akut im Umbruch befindlichen Gesellschaft muss sich auch die Automobilbranche gänzlich neu erfinden, so man denn weiterhin wirtschaftlich relevant bleiben will.